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9. Dezember 2020

STADTRATSREPORT (14)

„Schämen Sie sich!“
(Peter Krüger, CDU-Fraktionsvorsitzender)
oder
(Un)sicherer Hafen-Special

Am 26.11. wurde im Stadtrat über den „Sicherer Hafen“-Antrag abgestimmt. Er wurde durch den rassistischen Block aus CDU-Fraktion im Dresdner Stadtrat, FDP-Fraktion im Dresdner Stadtrat, die Freien Wähler und AfDer mit 35:35 abgelehnt. Die Heuchler von der #niewiedercDU fanden eine Beschimpfung viel schlimmer als die 40.000 Leichen im Mittelmeer, das Einpferchen in überfüllte Internierungslager, Folter, Vergewaltigung, Exekutionen und was sonst noch so europäische Migrationspolitik ausmacht.
Meine Rede:


„Guten Tag, wir reden jetzt über europäische und deutsche Migrationspolitik.
Warnung: Es wird eklig.

In den letzten 20 Jahren sind nach vorsichtigen Schätzungen 40.000 Menschen im Mittelmeer ertrunken. 40.000 Menschen deren Verzweiflung durch Krieg, Gewalt, Armut und Hunger so groß war, dass sie ihre Heimat verließen, alles aufgaben, alle Strapazen auf sich nahmen und die ihre Hoffnung mit dem Leben bezahlten.
Man müsste annehmen, dass eine mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Staatengemeinschaft, unter ihnen – egal nach welcher Zählweise, die reichsten Länder der Welt – die nicht müde wird sich als Wertegemeinschaft zu beschreiben und welche die Wahrung der Menschenrechte als eines ihrer wichtigsten Beitrittskriterien festlegte, alles dafür tut, dass vor ihrer Haustür nicht tausende Menschen ertrinken. Heißt es doch in Artikel 3 jener Menschenrechte „Jeder hat das Recht auf Leben“.
Man könnte annehmen, dass ein Land, welches aus der industriellen Ermordung von 13 Millionen Menschen angeblich seine Lehren zum Wert des Lebens gezogen habe und eben jene Menschenrechte in den ersten Artikel seiner Verfassung festschrieb, sich besonders verpflichtet fühlt, alles zum Schutz jedes einzelnen Lebens zu tun.
Man müsste glauben, dass eine Regierungspartei, die sich „christlich“ nennt und behauptet sich aktiv für Menschenrechte einzusetzen, sich dem christlichen Motiv der Nächstenliebe irgendwie verpflichtet fühlt.
Am Arsch.
Die Europäische Union hat nicht nur die Seenotrettung ausgesetzt, sondern arbeitet aktiv gegen private Initiativen, welche diese Lücke allein aus Spendengeldern füllen wollen. Schiffe werden mit immer neuen Regularien und Schikanen daran gehindert zu Rettungsmissionen auszulaufen. Aufklärungsflugzeugen wird die Starterlaubnis versagt. Die freiwilligen Helfer, welche die traumatischen Bilder von umhertreibenden Babyleichen vermutlich den Rest ihres Lebens verfolgen, werden zum Dank kriminalisiert und angeklagt. Mit Geretteten völlig überladenen Schiffen wird, trotz fehlender medizinischer Versorgung, fehlendem Essen und Wasser, über Tage und Wochen das Einlaufen in Häfen verweigert. Die Migranten, welche die Flucht überleben, werden in eigens eingerichtete Internierungslager bis weit über deren Kapazitäten gepfercht. Die Mittelmeeranreiner mit der Aufgabe seit Jahren allein gelassen. Als handele es sich nicht um Menschen, sondern um irgendeine Art von Ungeziefer, verweigern die europäischen Mitgliedsstaaten die Aufnahme der Schutzsuchenden und streiten seit Jahren unwürdig um deren Verteilung und/oder Entsorgung.
Aber selbstverständlich bleibt die Werteunion Europa nicht untätig: Um uns die unschönen Bilder von ertrunkenen Kindern zu ersparen, setzt sie alles daran, dass die Flüchtenden es gar nicht bis zum Mittelmeer schaffen. Mit den widerlichsten Regimen werden Abkommen getroffen. Geld und Waffen damit wir dieses Elend endlich nicht mehr sehen müssen. Man geht davon aus, dass in der Sahara doppelt so viele Menschen ihr Leben auf der Flucht verlieren wie im Mittelmeer. Da es aber doch noch genug schaffen, gibt es zum Glück noch den Lieblingspartner Libyen. Kümmern sich doch die Sklavenhändler-Milizen so rührend um Flüchtlinge, wie das Auswärtige Amt feststellt: Zitat „Die Erfahrungsberichte zurückgekehrter Migranten zeichnen ein erschütterndes Bild allerschwerster, systematischer Menschenrechtsverletzungen in Libyen. Authentische Handy-Fotos und -Videos belegten die KZ-ähnlichen Verhältnisse in den sog. „Privatgefängnissen“. Exekutionen nicht zahlungsfähiger Migranten, Folter, Vergewaltigungen, Erpressungen sowie Aussetzungen in der Wüste sind dort an der Tagesordnung.“ Gut zu wissen, dass die Europäische Agentur für Grenz- und Küstenwache und Menschenrechtsverletzungen Aufklärungsflugzeuge über der, laut wissenschaftlichem Dienst des Bundestages völkerrechtswidrig ausgeweiteten Seezone Libyens kreisen lässt, um die von europäischen Staaten unterstützten Libyschen Küstenwachen-Milizen, die auch gern mal das Feuer auf Rettungsschiffe eröffnen, beim Auffinden ihrer Opfer zu unterstützen. Gut, dass Geretteten ein sicherer Hafen verweigert wird, weil man sie doch bitte zurück nach Libyen bringen solle.

Leider oder zum Glück reichen meine 5 Minuten Redezeit nicht, um die Verbrechen von Frontex, mit dabei auch deutsche Polizisten, hier ausreichend zu benennen. Tränengas auf Kinder und Flüchtlinge zurück ins Meer zu schmeißen gehört zum Kerngeschäft. 5 Minuten reichen auch nicht um das Leid und die Unmenschlichkeit, die in unserem Namen zugelassen und verursacht werden hinreichend darzustellen. Und sie reichen auch nicht, um meine Verachtung all jenen rassistischen Arschlöchern gegenüber zum Ausdruck zu bringen, die dieser Proklamation für ein Mindestmaß an menschlichem Anstand nicht zustimmen werden. Damit meine ich vor allem die Stadträte der CDU und FDP. Vor den rassistischen Entgleisungen der AfDer ekel ich mich jetzt schon. Aber ihr Christdemokraten, die ihr behauptet das Grundgesetz und christliche Werte zu vertreten, könntet mit eurer Zustimmung beweisen, dass ihr doch keine widerlichen Heuchler und ekelerregenden Rassisten seid.
Es ist keine offene Frage, ob man Menschenleben retten sollte.“

Daraufhin schien, trotz sehr guter, vielseitiger und eindringlicher Redebeiträge von Mission Lifeline, Seebrücke und Co. (u.a. GRr), der wichtigste Punkt der Debatte jedoch die Bezeichnung der cDU und FDP als „rassistische Arschlöcher“ zu sein.

Als Mission Lifeline mich dann fragte, ob ich eine Kolumne für sie schreiben wolle, musste ich die Gelegenheit mich zu entschuldigen natürlich nicht verstreichen lassen.

ENTSCHULDIGUNG
oder
Warum man rassistische Arschlöcher nicht rassistische Arschlöcher nennt


Am 26.11. wurde im Dresdner Stadtrat zum zweiten Mal der Antrag, Dresden zum sicheren Hafen zu machen, abgelehnt und das, so muss ich unweigerlich zugeben, ist einzig und allein meine Schuld. Dafür muss ich mich natürlich entschuldigen.


Hätte ich die rechten Freien Wähler nicht rassistische Arschlöcher genannt, dann hätte ihre Fraktion dem Antrag zugestimmt. So begründete die Ablehnung zumindest ihr Fraktionsvorsitzender Jens Genschmar, fraglos einer der possierlichsten aber auch einfältigsten Stadträte, kaum in der Lage einen richtigen Satz zu bilden, der sich einst mit seinen AfDer-Freunden so köstlich amüsierte, als er erheitert, während ich meinen USB-Stick reinsteckte, mutmaßte, wie klein mein Penis sei – wegen „reinstecken“ – Hihi. Hätte ich nicht so unhöflich ihre Befindlichkeiten verletzt, dann hätte die PEGIDAnahe Susanne Dagen nicht dagegen gestimmt, denn sie liest natürlich nicht nur mit rechten Menschen sondern auch Menschenrechte. Der schmierige Rechtspopulist und passionierte Rechten-Rechtsbeistand IM Hannig hätte rührend Art. 98 des Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen zitiert und womöglich noch die leicht verständliche Erläuterung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags bemüht „Nach Art. 98 SRÜ hat jeder Kapitän die Pflicht, Schiffbrüchigen in Seenot Hilfe zu leisten. Es gibt mithin keine Unterschiede zwischen der Seenotrettung durch private oder staatliche Schiffe.“.


Hätte ich den höchstanständigen cDU-Fraktionsvorsitzenden Peter Krüger nicht rassistisches Arschloch genannt, dann hätte er nicht nach Ordnungsmaßnahmen gegen mich verlangt und selbstverständlich auch dem „Sicher Hafen“-Antrag zugestimmt. Hätte ich ihn nicht rassistisches Arschloch genannt, nicht mit dieser Beleidigung absichtlich seinen sozialen Geltungsanspruch verletzt, hätte ich mir nur das probate Mittel um das Publikum von der Nichtachtungswürdigkeit des politischen Gegners zu überzeugen, nicht erlaubt, dann wären wir jetzt noch dicke Freunde. Denn eigentlich lief es bisher ziemlich gut. Meine erste Begegnung mit Peter, seines Zeichens überzeugter Halbnazi und nicht ganz so überzeugt von der Existenz des Klimawandels, hatte ich zur cDU-Wahlparty 2014, als er und seine Freunde unser PARTEI-Glückwunsch-Kommando unter „Arschlöcher“ und „Abschaum“-Rufen höflichst baten zu gehen. Den ersten physischen Kontakt genoss ich zur Einbringung des „Nazinotstands“ im Ausschuss: Er fing an dazwischen zu pöbeln und an meinem Stuhl zu rütteln, während ich zu reden begann und begleitete meinen Beitrag begeistert mit zärtlichen Tritten gegen mein Sitzmöbel. Seither hatten wir liebevolle Kommunikation auf Twitter und Facebook. Peter ist dort viel lockerer und teilt seine politischen Ansichten (rechts) ganz unverstellt. Aber all das ist nun vorbei. Alles dahin mit uns, weil ich ihn rassistisches Arschloch nannte.


Hätte ich die CDU-Fraktion nicht rassistische Arschlöcher genannt, dann hätten sie auch die über 700 anderen Wörter erreicht, mit denen ich die menschenverachtende EU-Migrationspolitik – inklusive 40.000 Toten, Internierungslagern und Menschenrechtsverletzungen – beschrieb. Niemand kann von verantwortungsbewussten Politikern verlangen, ihre Entscheidungen nicht daran auszurichten, was irgendein bedeutungsloser Tüp von einer unseriösen Kleinstpartei sagt. Auch Christdemokraten haben Befindlichkeiten die wichtig sind. Viel wichtiger als ein paar Menschenleben. Hätte ich es mir nur verkniffen die rassistischen Arschlöcher, die schon in der Vorberatung im Ausschuss den Antrag kommentarlos ablehnten, rassistische Arschlöcher zu nennen. Hätte ich nicht rassistische Arschlöcher gesagt, dann hätte niemand ein Wort über die mangelnde Zuständigkeit der Kommune verloren, denn jedem wäre klar gewesen, dass die Stimme zu erheben, der erste, einfachste und legitimste politische Akt ist und gerade in einer Demokratie „Stimme“ nicht nur ein Kreuzchen auf einem Zettel meint. Jedem wäre die Bedeutung von Symbolen in der Politik bewusst gewesen und keiner wäre auf die bescheuerte Idee gekommen „Symbolpolitik“ als Ablehnungsgrund anzuführen. Hätte ich die rassistischen Arschlöcher nur nicht rassistische Arschlöcher genannt, dann hätte Dr. Hans-Werner Brauns niemals gewagt die Ablehnung mit dem Warten auf die Europäische Einigung zu begründen. Er hätte zornig gefragt: „Ähm … Thomas de …ähm… Maizière war mehr als nur …ähm… zynisch, als er 2016 sagte …ähm.. „Auch wenn wir jetzt einige Wochen ein paar harte Bilder aushalten müssen, unser Ansatz ist richtig“ …ähm… Davon möchte ich …ähm… mich distanzieren, das gibt nicht die …ähm… Position der CDU …ähm… Dresden wieder. Pfui, Thomas, Pfui!“ Und dann wäre die ganze cDU-Fraktion in Tränen ausgebrochen und hätte am Rednerpult um Verzeihung für die jahrzehntelange* cDU-Politik des Wegguckens, Abschottens, Abschiebens und Sterbenlassens gebeten. Sich selbst geißelnd, „Mea Culpa“ weinend und Besserung gelobend, wäre die cDU-Fraktion durch den Stadtrat gekrochen und hätte, ob der Missetaten wieder jeden Humanismus, zornig ihre Hand gegen ihre Landes- und Bundespolitiker erhoben. Seehofer-Bilder wären verbrannt worden. „Scheuer muss weg!“-Rufe erschallt. Viele Tausend Euro an Mission Lifeline geflossen. Panisch wären Migranten – oder irgendwelche Menschen die halt irgendwie so aussehen – gejagt worden, um all das Unrecht an ihnen wieder gut zu machen. Ja, es wäre auch von Liebe die Rede gewesen und ein bisschen sexuell geworden. Es wäre ein schaurig schönes Fest der erwachten Empathie und des aufrichtigen Bedauerns geworden. Ein Funke, der dem Palaver von christlicher Nächstenliebe endlich einen Sinn gegeben und die verdorrten schwarzen Herzen entzündet hätte. Ein Funke der weit über Dresden hinaus auf die ganze Sächsische Union übergesprungen wäre und einen Brand entfacht hätte, der selbst die skrupellose Bundesregierung entflammt hätte! Was sage ich, die ganze Europäische Union wäre durch die gleißende Hitze dieser Humanität von jeglicher Unmenschlichkeit gereinigt worden! Einmal in fahrt, hätte sich die cDU gleich noch von ihrem Kapitalfetisch losgesagt, den Armen gegeben und natürlich auch binnen weniger Jahre in einem schier selbstlosen Akt der Selbstaufopferung die Klimakatastrophe abgewendet.


Die FDP hätte zwar nicht so richtig verstanden was los ist, aber ganz alleine mit der AfD wäre es ihr doch zu unangenehm geworden und sie hätten sich sicher mit einen Autokorso nach Berlin beteiligt und für jede der 40.000 Leichen einmal gehupt oder so. Wen interessiert’s?


Aber leider nannte ich die rassistischen Arschlöcher rassistische Arschlöcher und beraubte uns so dieses glorreichen Spektakels, dieser besseren Welt. Nur dadurch das ich die rassistischen Arschlöcher rassistische Arschlöcher nannte, wurden sie ja erst zu rassistischen Arschlöchern. Dafür entschuldige ich mich. Ich entschuldige mich, denn bei aller Empörung über das unerträgliche menschliche Leid, welches Deutschland und Europa da zulassen und verursachen, darf man doch eines nicht vergessen: Es geht immer um Menschen. Anständige, konservative und weiße Menschen.“
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