Nach einigen sehr langweiligen, nicht verwertbaren Sitzungen* brillierte der Stadtrat in der letzten Sitzung vor der Sommerpause. Sehr präzise präsentierten die Teilnehmer ihre Kompetenzen.
Die nicht enden wollende anderthalbstündige Fragerunde der Stadträte nutzen viele Stadträte zur Pflege ihrer Socialmedia-Kanäle.
Oberbürger Dick Hilbert nutzt sie, um zu beweisen, dass er ein Arsch ist, dem es um seine Selbstinszenierung geht und um seiner Verachtung gegenüber dem Stadtrat Ausdruck zu verleihen. Als Andrea Mühle (Grüne) ihr Frage nutzt, um die mit 22.000 Unterzeichnern bemerkenswerte Petition gegen PEGIDA aus der Versenkung der „Zuständigkeit der Verwaltung“ zu hieven, hat sie leider den Punkt der fragwürdigen Ungleichbehandlung von Faschisten und Antifaschisten verpasst. Dicks Antwort glänzt vom ersten Wort an vor sophismengespickter Herablassung, die durch seine sonst eher verniedlichende Pümpelhaftigkeit noch verstärkt wird, um in einem Crescendo der Strohmann-Argumentation zu kulminieren.
„Frau Mühle, stellen Sie sich nur einmal vor Anmeldungen für Versammlungen würden nicht von der Verwaltung bearbeitet, sondern vom Stadtrat und seinen Ausschüssen [hat niemand gefordert] stellen Sie sich einmal vor die Versammlungsfreihet [Hmmm], die Pressfreiheit [Hä?] und die Reisefreiheit [WTF?] wären abhängig von Mehrheitsverhältnissen in diesem Hause. Ich für meinen Teil könnte bei diesem Gedanken keine Nacht mehr ruhig schlafen.“ [ab 0:33:00 im Stream**]
Der Nachfrage ob er nicht selbst mal zum Gegenprotest kommen könne, begegnete er mit dem Neutralitätsgebot seines Amtes.
Die PARTEI Investigativ: Einer unbestätigten Quelle zufolge ist das Problem der Versammlungsbehörde der zuständige Amtsleiter. Diesbezügliche bestätigende oder korrigierende Informationen (Storys, Gerüchte, Fakten) nehme ich gerne diskret entgegen.
Nach ungefähr zwei Stunden konnte der erste Tagesordnungspunkt „Mietenfonds für die freie Kultur- und Kunstveranstalterszene der Corona-Pandemie“ (guter Antrag) beraten werden. Der schneidige Trachtenpümpel Braun (AfD) ließ in so grotesk hitleresker Rethorik seinem Hass auf Kunst und Kultur freien Lauf, dass Richard Kaniewski (SPD) spontan eine Parodie gelang. Der AfDer war empört und drohte mit Vergeltung. Darauf freue ich mich schon. [2:06:30]
Im Vorfeld der Sitzung versprach ich homophobe Exzesse bei dem Antrag die Regenbogefahne zum CSD und IDAHIT ans Rathaus zu hängen. Mein Versprechen wurde gehalten. [ab 2:45:00] Leo Lenz (LINKE) und ein Gastredner der Grünen legten angemessen dramatisch die Problematik dar und letzterer zitierte ausgiebig aus einer jüngst ergangenen Begründung des Verwaltungsgerichts Dresden, welches in der Beflaggung des Justizministeriums mit der Regenbogenfahne sehr deutlich kein Problem sah. Dennoch berief sich die cdU in Gestalt von Dr. Hans-Werner Brauns (Richter am Landgericht) auf die sächsische Flaggenordnung, welche das angeblich verbiete und untermauerte dies mit einem kräftigen „Da könnte ja jeder kommen!“ um ihre Ablehnung zu begründen. Ihm folgte ein wirklich abartiger Hassbeitrag eines AfDers, der ausreichend menschenverachtend war, um diesen Menschen zu verachten, was dem Vortrag meiner Rede nicht unbedingt gut tat. Sorry.
Auch der Erste und Ordnungsbürgermeister Detlef Sittel (CDU) wiederholte den Quatsch mit der Beflaggungsordnung, was ersnthaft an seiner Qualifikation zweifeln lässt. Jens Matthis (DIE LINKE) kam, laut eigener Aussage, nach zehn Jahren Regenbogenverweigerung seitens der Stadt auf die Idee die sächsische Beflaggungsordnung anzuschauen und stellte wenig überraschend fest, dass sie nicht in „Gebietskörperschaften“ also den Kommunen gilt.
Der Antrag wurde schließlich mit 37 Ja-Stimmen angenommen. Zwei dieser Stimmen kamen von der FDP, was sie dazu veranlasste sich dafür feiern zu wollen.
Der letzte Tagesordnungspunkt war die Ausschreibung des Baubürgermeisters. Eigentlich eine Formalie: Die Fachbürgermeister oder Beigeordneten für Kultur, Bau, Umwelt usw. sind sogenannte Beamte auf Zeit. Deswegen muss die Stadtverwaltung die Stelle offen ausschreiben. Gewählt werden sie aber vom Stadtrat, brauchen also eine Mehrheit. Das ist ein abstruse Situation, da offene Ausschreibung und politische Abstimmung wohl nur in einer perfekten Welt keinen Widerspruch bilden, aber so ist das rechtliche Konstrukt. Mit der Berufung des Bildungsbürgermeisters zum sächsischen Finanzminister handelten Grüne, LINKE, SPD und CDU die Verteilung der Bürgermeister aus. Den Zuschlag erhielt damals die CDU. Das die Grünen vergaßen ihre Verhandlungspartner über den anstehenden Weggang ihres Baubürgermeisters zu informieren, sei ebenso nur am Rande erwähnt, wie meine Vermutung, dass dieser nicht nur ging weil Dresden „konservativ und autofokussiert“*** ist, sonder weil die Grüne Fraktions-Spitze erschreckend inkompetent und mutlos ist. Aber das ist natürlich reine Spekulation.
Weil die Grünen durch und durch demokratisch sind, riefen sie eine interne Findungskommission für den Baubürgermeister ins Leben und waren dabei so transparent, dass sie, schon bevor endgültig feststand ob Schmidt-Lamountain wirklich geht und bevor die Stelle überhaupt ausgeschrieben war, ihren Kandidaten präsentierten. Das ist nicht tragisch, regelwidrig oder verwerflich, aber enorm ungeschickt. Selbstverständlich nutzten dies Freie Wähler (Rechtsextrem) und FDP (Zastrow-Geiseln) um sich zu echauffieren und zurecht zu nörgeln, dass es mögliche Bewerber abschreckt, wenn man den Gewinner schon vor dem Startschuss ins Rennen schickt. Da die nahezu selbe Debatte bereits bei der Ausschreibung des Bildungsbürgermeisters geführt wurde, (wobei die CDU nicht so dumm war ihren Bewerber schon vorher offiziell bekannt zugeben) und das Ergebnis der Debatte klar war – es wird eine Ausschreibung geben – verließ ich 22:09 Uhr die Sitzung und kehrte auch zum zweiten Teil der Sitzung am Freitag**** nicht zurück.
Meine Rede zu den verkaufsoffenen Sonntagen konnte ich deswegen leider nicht halten. Ich bin sicher sonst wäre sogar die FDP umgekippt.
„Hallo,
Manche glauben an den lieben Gott andere an den verkaufsoffenen Sonntag und wieder andere finden man sollte mindestens einen Tag in der Woche faul rumliegen. Ich kann der neoliberalen FDP ihren wahnhaften Glauben an die Auslieferung aller Lebensbereiche an den sogenannten „Markt“ nicht vorwerfen. Wer unter Liberalismus ausschließlich Wirtschaftsliberalismus versteht und glaubt Freiheit bedeutet ein kostenloser Parkplatz und ungebremstes SUV-fahren, hält es auch für eine Unverschämtheit einen Tag in der Woche nicht einkaufen zu dürfen oder gar darauf zu beharren nicht arbeiten zu müssen. Das ein verkaufsoffener Sonntag den Einzelhandel rettet ist eher eine verwegene Behauptung, als eine valide These. Belege gibt es dafür keine. Man kann natürlich glauben der Sonntag solle ein Tag wie jeder andere sein und dem uneingeschränkten Konsum geopfert werden. Man kann Shoppen selbstverständlich als politisch zu förderndes Freizeitvergnügen betrachten, immerhin ist die Hegemonie der neoliberalen Ideologie unbestreitbar, ja gar durch IWF-Studie belegt, oder man bewahrt – ganz konservativ – wenigstens diesen einen Tag der noch nicht vollends dem kapitalistischen Treiben des Arbeitens, Kaufens und Verkaufens anheim gefallen ist.“
*Damit nicht das Missverständnis entsteht, ich würde von jeder Sitzung berichten oder gar einen Überblick über alle relevanten Beschlüsse des Stadtrats geben, sei erwähnt, dass mich das zu sehr ermüden würde und ich nur das wiedergebe, was mich ausreichend unterhält und die Abstrusitäten und Verfehlungen der Dresdner Kommunalpolitik anschaulich wiedergibt.
** https://www.dresden.de/de/rathaus/polit … -live3.php
***Laut DNN (seriöse Zeitung) und MoPo (Boulevard) eine Abrechnung mit Dresden https://www.dnn.de/Dresden/Lokales/Auto … Dresden-ab
https://www.tag24.de/dresden/baubuerger … ab-1515089
****Kausalität womöglich frei erfunden