STADTRATSREPORT (26)

„Bleibt von Dresden fern, hier leben schlechte Menschen“
oder
Stellvertreter, Katastrophen und Container

Sitzung 11.5.2023

Schon in der Einladung zur letzten Sitzung des Stadtrats mal was ganz besonderes: Es ist mit „erhöhten Sicherheitsvorkehrungen“ zu rechnen. Der Grund, wie könnte es in Dresden anders sein, ist die ortsübliche Fremdenfeindlichkeit. Da über die Unterbringung von Geflüchteten entschieden werden sollte, hatten sich Freie Nazis & Co angekündigt. Und so bauten sich Menschen und Rassisten, ordnungsgemäß von links nach rechts vorm Rathaus auf und fieberten der Umvolkung entgegen.

Doch obwohl der Rat an diesem Tag nur über drei Themen debattierte, musste die interessierte Bürgerschaft zunächst lange warten, bis ihr Herzensthema (Ausländerhass) endlich dran kam. Denn zuerst musste nach nur 10 Monaten die Wahl des letzten Beigeordneten vollbracht werden. Seit August balgten Oberbürgermeister und Stadtrat um die Bürgermeisterposten. Inklusive externen Moderationsteam, Schlichtspruch, absurden „Geschäftsbereichsumstrukturierungen“. Schließlich war nach der krachenden Niederlage des CDU-Kandidaten Kaden, der Bürgermeister für Wirtschaft, Digitales, Personal und andere Katastrophen neu ausgeschrieben und gewählt. Laut Deal sollte der Posten an die CDU gehen und so machte sich auch niemand mehr die Mühe eine Gegenkandidatin ins Rennen zu schicken. Aus den Bewerbungen pickten sich dann die Unbeteiligten Fraktionen dennoch eine kompetent erscheinende raus, damit wenigstens der Schein einer Wahl gewahrt blieb. Alles wenig spektakulär, letztlich wurde der ehemalige Jobcenter- und spätere Agentur für Arbeit-Chef Pratzka (CDU) gewählt. Ohne ihn gewählt zu haben, spekuliere ich, dass der Mann als Katastrophenbürgermeister weniger Leid verursacht, als in seiner vorigen Position. Kompetenter als der intellektuelle Sparstrumpf Kaden ist er allemal. Nunja.

Während auch vor der Tür die Stimmung stieg, folgte ein viel aufregenderes Thema: Die Stellvertreterreihenfolge des Oberbürgers. Interessiert niemanden außerhalb der Leidensgemeinschaft Stadtrat. Die aber dafür umso mehr. Trotzdem es Tradition ist, dass die größte Fraktion, derzeit die Grünen (gleichauf mit den AfDern, aber die dürfen (noch) nicht mitspielen,) den ersten Bürgermeister, sprich Stellvertreter, stellt, hat Dick den ebenso harmlosen wie jovialen CDU-Strickjackenonkel Donhauser auserkoren. Für die Grünen eine Demütigung, hätten sie doch gerne die gescheiterte Oberbürgermeisterkandidatin Eva Jähnigen in der enorm wichtigen Stellung der Ersten Bürgermeisterin gesehen. Die Grünen im Allgemeinen und Eva im speziellen verachtet Dick aber so sehr, dass er es schon als Zumutung empfand die orthopädische Katzenoma als zweite Stellvertretung zu akzeptieren. Und da – der sächsischen Gemeideordnung sei’s gedankt – des Oberbürgers Einvernehmen für diese Entscheidung nötig ist, welches nur mit einer unerreichbaren 2/3-Merhheit überstimmt werden kann, kündigte er zum Einstieg in die Debatte gleich an, nur dem vorliegenden Vorschlag (Donhauser, Jähnigen, …) zuzustimmen. Dem folgte eine überraschende Rede der Grünen Fraktionsvorsitzenden Chrisitiane Filius-Jehne, in der sie kundtat, dass es den Grünen gar nicht gefiele, worauf sie sich nun aber vorher schon geeinigt haben und dass sie den „Kompromiss“ so richtig doof finden, aber zustimmen. Kurz: Sie hat die eigene Demütigung nochmal öffentlich gemacht und bejammert.
Das motivierte meinen Fraktionskollegen und Ex-Grünen Johannes Lichdi, aus purem Spaß am Stänkern, zu beantragen, dass Eva Jähnigen – nach gutem Brauch – zur Ersten Bürgermeisterin gewählt werden solle. Und – Tadaa! – fand dieser Änderungsantrag – dank der Grünen, die damit ihre vorher getroffenen Absprachen brachen – eine Mehrheit, was wiederum dazu führte, dass in der Schlussabstimmung diese Reihenfolge durchfiel und ein weiteres Mal die äußerst, äußerst wichtige Frage der Stellervertretung offen blieb. Zu meinem Bedauern, wäre doch das drollige Triumphirat aus Dick, Schlumps und Latsch die lustigst mögliche Stadtspitze.

Dick ging es wohl ganz ähnlich, denn der schnauzte völlig ungehalten vom Podium herab den unfähigen Stadtrat an. So bekam die Debatte nach der Debatte einen ebenso würdevollen, wie erheiternden Abschluss.

Wenig erheiternd, wurde währenddessen vor der Rathaustür die Flüchtlingsfrage in einer Parolen-Debatte ausgetragen und kam nun endlich auch im Stadtrat an die Reihe.

Schon seit Monaten erhitzten sich die Gemüter an den Plänen der Stadt einige Containerunterkünfte für Flüchtende in der Stadt zu verteilen. Eigentlich war die Frage, wie die 2000 erwarteten Menschen untergebracht werden. Die Verwaltung hat in ihrer üblichen Herrlichkeit ihre Pläne herauspadauzt, ohne im Vorhinein irgendwen in irgendeiner Weise daran beteiligt zu haben. Weder Stadtrat noch diese ominöse Bürgerschaft. Und so kam es zur – in Dresden obligatorischen – fremdenfeindlichen Mobilisierung, befeuert durch die verkommene cDU und pümpeliges Verwaltungsgebaren ala „So und nicht anders!“ bzw. Container oder Turnhallen und Basta! Denn der Vorschlag erst 11, dann 9 und schließlich 6 Containerdörfer zu bauen, wurde mit jeder, mühsam der Verwaltung abgerungenen Information fragwürdiger. Container sind ohnehin nicht optimal, die Standorte und Verteilung in der Stadt diskussionswürdig und die Kosten (59€/m2) absurd hoch. Doch der Abwehrkampf gegen Rechts und die dreiste „Friss-oder-Stirb“-Behauptung der Verwaltung sorgten dafür, dass die Diskussion sich zu einer rassistischen Grundsatzdebatte für oder gegen das Recht auf Asyl verengte und die eigentliche Frage, wie man die Menschen am Besten unterbringt, verunmöglichte.
Entsprechend abstoßend waren die Redebeiträge. Mich beschäftigte dabei sehr die Frage, ob es mich mehr ekelt, dass ich mich nach vier Jahren Stadtrat kaum noch ekel oder doch der Ekel noch überwiegt. Ich kam zu dem Schluss, dass es mich am meisten abstößt, wie nonchalant z.B. die FDP (in Gestalt des frisch zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl gekürten Robert Malorny) ganz beiläufig erklärte, die Kommunalpolitik sei für die Asylfrage nicht zuständig, aber selbstverständlich sei man gegen Illegale und Abschiebungen.
Den Nazivogel abgeschossen hat dann aber doch die CDU, welche mit aufkommen der Auseinandersetzung den Antrag einreichte, der Beschluss „Dresden sei Sicherer Hafen“ aufzuheben. Der Antrag stand auch auf der Tagesordnung der Sitzung, aber erst später. Und so, um vor den versammelten Nazis im braunen Licht zu glänzen, schummelten die CIS-Demokraten ihren „Unsicheren Hafen“ kurzerhand in einen Ersetzungsantrag zum FlüchtlingsContainern. Dazu hielt ich eine Rede.

„Hallo CDU!

Ihr wollt also den Beschluss zur Petition „Dresden sei sicherer Hafen“ aufheben, sprich Dresden zum „unsicheren Hafen“ erklären. Was heißt das denn? Laut jenem Beschluss folgendes:

1. Die CDU stellt sich gegen lokale Projekte und Organisationen, die sich für die Versorgung, die Perspektiven und die Rechte von Menschen einsetzen, die in Not sind, sich auf der Flucht befinden oder die von Fluchtursachen bedroht sind.

2. Die CDU engagiert sich in ihren Netzwerken, dafür, dass die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union Mittel und Wege finden, dass das Sterben an den europäischen Außengrenzen, z. B. im Mittelmeer, kein Ende findet.

3. Die CDU engagiert sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten dafür, dass Fluchtursachen in der Welt zunehmen.

4. Die CDU steht vorbehaltlos gegen die Verpflichtungen, geflüchtete Menschen aufzunehmen und unterzubringen. Gerade angesichts des Krieges in Europa wird die CDU unbürokratische Mittel und Wege finden, Geflüchtete abzulehnen und nicht zu versorgen. Die CDU ist bereit, alle Geflüchteten abzuschieben, egal wieviele nach dem sog. Königsteiner Schlüssel zugewiesen werden.

5. Die CDU will, in Zusammenarbeit mit dem Freistaat Sachsen, auf alle notwendigen Maßnahmen verzichten, um auf aktuelle humanitäre Herausforderungen angemessen zu reagieren.

6. Die CDU engagiert sich weiterhin und langfristig dagegen, dass geflüchtete Menschen mit einer Bleibeperspektive aktiv in die Stadtgesellschaft integriert werden.

7. Die CDU fordert die 100 000 Euro zurück, die für zu Verfügung gestellt wurden, um Hilfsangebote für die Ukraine zu koordinieren und lokale Organisationen kurzfristig zu unterstützen. Die CDU will, dass die ukrainische Gemeinschaft in Dresden nicht länger beraten wird, die Landeshauptstadt Dresden weitere logistische Hilfe einstellt.

Respekt, liebe CDU, für diese schonungslos menschenfeindliche Offenheit! Auf dem Rücken derer die Hilfe brauchen Fremdenfeindlichkeit schüren, in der Hoffnung ein paar Wählerstimmen zu stibitzen. Geil! Aber warum habt ihr dann damals beim Nazinotstand so rumgezickt? Denn ihr habt ja Recht! Dresden ist für Schutzsuchende kein sicherer Hafen. Auch Dank euch sind Ressentiments, Beleidigungen und Übergriffe in dieser Stadt Alltag. Es ist also nur richtig Dresden als bundesweit erste Großstadt zum Unsicheren Hafen zu erklären.

Bleibt lieber von Dresden fern, hier leben schlechte Menschen.“


Letztendlich wurde, dank der (noch) herrschenden Uneinigkeit zwischen den Rechten, sowohl der CDU-Antrag abgelehnt, als auch die Containerunterbringung beschlossen. Die Rassisten vor der Tür waren da, leider, leider schon wieder weg. Vielleicht kommen sie ja wieder, wenn der „Unsichere Hafen“-Antrag der CDU das nächste Mal auf der Tagesordnung steht. Ich schreib schonmal eine neue Rede.

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