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1. Oktober 2020

STADTRATSREPORT (11)

Politics Of Love
und
Der Zauber der geheimen Wahl

Aus Gründen die nicht näher beschrieben werden müssen, unter Umständen die noch näher beschrieben werden, reichte ich in der letzten Sitzung den Antrag ein, Dresden zum sicheren Hafen zu machen. Dr. MSW und die SPD-Fraktion waren von Anfang an dabei. Die LINKE- und Grüne-Fraktion schafften es Aufgrund interner Kommunikationsdefizite nicht, sich rechtzeitig zu einigen, aber fast alle Stadträte der beiden Fraktionen unterzeichneten noch während der Sitzung. Besonders zu erwähnen sind FDP-Blödner, der auf die kurze Erläuterung „eine Proklamation für Seenotrettung und Menschlichkeit“ vehement ablehnte und Andrea Mühle, die meinem chaotischen Entwurf aufgeräumt und eine einwandfreie Begründung zusammengestellt hat.

Mit großer Spannung erwarteten alle den spektakulären Bericht des Oberbürgermeisters zum Haushalt. Etwas überrascht stellte ich fest, dass das ersehnte Ereignis aus substanzlosem Palaver ohne Neuigkeitswert bestand und konnte entspannt die Unterschriften sammeln. Aber ich muss mal rausfinden, wer eigentlich Dick die immer gleiche Rede schreibt.

Um die aktuelle Stunde der Freien Wähler zu 5G zu verfolgen, war meine mentale Verbindung nicht stabil genug. In der mündlichen Fragerunde erläuterte ich Dick demokratische Standards und in seiner Not erklärte er mich zu seinem „liebsten Stadtrat“. Diesen Aufstieg werde ich die 69 anderen Loser spüren lassen.

mündliche Anfrage:
Liebster Oberbürgermeister,

bei jeder einzelnen unserer großartigen Stadtratssitzungen steht als erster oder zweiter Tagesordnungspunkt der sogenannte „Bericht des Oberbürgermeisters“ auf der Liste. Soweit ich es verstanden habe, dient dieser Punkt dafür, dass das Verwaltungsoberhaupt, also Sie, dem Stadtrat UND der Öffentlichkeit über wichtige Vorgänge in der Stadt und der Verwaltung berichten. In jedem mir bekannten Gemeinderat nutzt der Oberbürgermeister den demokratisch fraglos äußerst sinnreichen „Bericht des Oberbürgermeisters“ um über die Angelegenheiten der Stadt zu berichten. Im ersten Jahr meiner Stadtratsarbeit in Dresden kam ich lediglich in den Genuss von vier dieser Berichte. Wobei einer nur nach Aufforderung und dann durch den Finanzbürgermeister erfolgte und in einem anderen Stadträte von ihren traumatischen Erfahrungen im Kongo berichteten. Nun zur Frage: Wir wissen ja alle um die hohen demokratischen Standards die Sie an ihr Amt legen <Smiley> aber da Sie offensichtlich keinen Bock haben, uns die rhetorische Sedierung ersparen möchten oder schlicht den Zusammenhang von Information und Demokratie noch nicht so ganz durchdrungen haben, wollen wir den Punkt nicht einfach von den zukünftigen Tagesordnungen streichen? Das macht Dresden wieder ein kleines bisschen einzigartiger in all den deutschen Kommunen und ist ehrlicher, als ihn hinzuschreiben und dann zu ignorieren.

Im liebestrunkenen, gehaltsleeren Geplapper ging unter, dass Dick die Frage weder verstanden, noch beantwortet hat.
[ab 2:22:57 https://www.dresden.de/de/rathaus/polit … -live3.php]

Als der Stadtrat 1,2 Millionen Euro für die Planung der Erweiterung der Margon-Arena mit Parkhaus (ca. 30 Mio) beschloss und es lediglich ein bisschen Dissenz bezüglich des Parkhauses gab, fingierte die AfD eine differenzierte Meinung, indem sie punktweise Abstimmung verlangte. Alle 8 einzeln abgestimmten Punkte wurden 65:1 beschlossen. Die Gegenstimme kam von mir.

https://www.dresden.de/de/rathaus/politik/beigeordnete/gb3.php

Als skuril sympathisch erwies sich im Zwischengespräch über ein Alkoholverbot am Assi-Eck Ordnungsmeister Sittel . Zunächst bewies Detlef durchaus Geist, als er ironisch die kulturgeschichtlichen Beiträge aus der amerikanischen Prohibition als Argument für eine Wiederholung anpries. Leider wurde es nicht konkreter als das „unterschiedliche Maßnahmen – Menschen und Alkohol“-Blabla einsetzte.

Eine bemerkenswerte Selbstwirksamkeitserfahrung machten mein PIRAT Dr. MSW und ich beim Baubürgermeisterwahlspektakel. MSW hatte sich, zu meiner großen Freude, für eine Bewerbung entschieden, um der faden Prozedur ein bisschen Schwung und diesem elenden Klima-Thema den notwendigen Platz zugeben. Schon im Vorhinein war trotz der Aussichtslosigkeit dieses Unterfangens – es gibt ein Abkommen zwischen Grünen, CDU, LINKEn und SPD über die Verteilung der Beigeordnetenposten – eine überraschende Unruhe vernehmbar. Als dann der Grüne-Abkommenskandidat Stephan Kühn (sympathisch, langweilig, durchsetzungsschwach) mit nur einer Stimme an einem zweiten Wahlgang vorbei schrammte, war das Gezeter groß. Was war geschehen?
Die AfDer haben, weil alles so undemokratisch sei, ihre Teilnahme an der geheimen Wahl verweigert. Die vier Freien Wähler wählten ihren eigenen Bewerber, eine lustige Mischung aus kleinem Maulwurf, Hitler und Arschloch. Sageundschreibe 15 Stadträte gaben MSW ihr Stimme. Ich wählte freudig meinen eigenen Vorschlag. Die fünf aus der Holger-Zastrow-Bande entschieden sich drolligerweise auch für MSW. (Er und Zastrow sind die Antagonisten im Verkehrswende-Battle.) Wären 6 von 15 geklärt, aber woher kamen die anderen 9?
Nur 34 von den 43 anwesenden Bündnispartnern (GRÜNECDULINKESPD) haben ihr Wort gehalten. „Wenn wir uns das gefallen lassen, lassen wir uns zum politischen Bettvorleger degradieren!“ brüllt Lichdi in die Grüne-Fraktion und zeigt auf DIE.LINKE. Als ich Zastrow davon erzähle, finden wir im fröhlichen Grüne-Auslachen eine Gemeinsamkeit. (Unsere Kommunikation besteht sonst aus gegenseitigem Beschimpfen via Zeitung und Internet.) Veit Böhm von der CDU fing gleich erfolglos an zu addieren, aber verortete den Verrat auch bei den Kommunisten. Die BauBü-Party der Grünen war wohl nur für MSW lustig. Für die Vorstellung, von den jeweils über ein Dutzend Menschen könnten einige bei einer geheimen Wahl aus diversen allzu menschlichen Gründen nicht dem Fraktionswillen folgen, fehlt den politischen Denkern die Phantasie. Der Überblick sich nach einer geheimen Wahl nicht mit Schuldzuweisungen lächerlich zu machen auch.

StaDDrats-Gossip: In der Grünen-Fraktion wurde derweil ein Antrag eingereicht, den missliebigen Alten einen „Twitter-Maulkorb“ zu verpassen. (https://www.tag24.de/dresden/politik-wirtschaft/zoff-bei-den-rathaus-gruenen-zerreisst-es-jetzt-die-fraktion-1667958, https://www.saechsische.de/dresden/lokales/maulkorb-bei-dresdens-gruenen-5283917-plus.html, )

In einem lesenswerten Gespräch mit dem SIEGEL beschrieb Enzensberger den Nachrichtenwert solcher Vorgänge recht schön:
„Komisch, daß sich Ihre Zeitschrift von diesen Insider-Geschichten hypnotisieren läßt. Mir kommt das so vor, wie wenn der Angestellte Bangemann abends vom Büro nach Hause kommt und seiner Frau erzählt: Der A. hat im Vorzimmer gestänkert, der B. will den C. abschmettern, der D. will dem E. eins auf die Schnauze geben, und der Buchhalter F. soll entlassen werden. Für den, der nicht zur Firma gehört, gibt es nichts öderes.“
https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13521747.html)
Ich freue mich schon die Zwischengespräche der nächsten Sitzungen auf die erbarmungslose Jagd auf die Verräter in den Reihen von CDU und Grünen zu verwenden.

TRANSPARENZOFFENSIVE
Um jeden Zweifel am Wahrheitsgehalt und der Vollständigkeit aller hier berichteten Anzüglichkeiten und Ungeheuerlichkeiten auszuräumen, lege ich die vollständige Mitschrift der 6-stündigen Stadtratssitzung am 24.9. offen:

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