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11. Oktober 2019

STADTRATSREPORT (2)

Sitzung vom 30.9.2019

„Denn die Protestbewegung ist nicht demokratisch legitimiert“ Hannig (FW)
oder
Intellektuelle Grenzgänger

Wie aufregend: Meine erste richtige Stadtratssitzung! Die endlose Tagesordnung ist vor Beginn auf ein gesundes Maß zusammen geschrumpft. Womöglich wieder ein kurzer Spaß?

Überschattet wurde die Sitzung von der trügerischen Gewissheit, das in Dresden undenkbare zu tun und den Klimanotstand auszurufen. Vorm Rathaus hatten sich zahlreiche unbegleitete Jugendliche versammelt. Irgendwas mit Zukunft, Umwelt und Trommeln. Um mal jemand Kompetentes zu hören, baten wir einen Gastredner von Scientists for Future Dresden zu erklären warum die Welt zu retten, ne gute Idee sein könnte. Die CDU Dresden beantragte die Vertagung des Antrags – kein Problem, Grr und die Fraktionslosen stellen ja die Mehrheit – bis plötzlich ein grünes Feld im roten Block auf der Abstimmungsanzeige aufblinkte und verstört entsetzte „Tilo? Tilo! Tiiilllloooooo!!11!“ Rufe durch den Saal irrten. Ein Fehler? Ein Irrtum? Egal LINKEN-Vebrandschef Jens Matthis sprang aus bislang ungeklärten Motiven dem verwirrten Einzeltäter zur Seite und drückte auch das falsche Knöpfchen. Klimanotstand? Vertagt. Eilt nicht. Tilo Wirtz, auf Facebook auch unter dem Kosenamen „Könnte-auch-bei-PEGIDA-reden-Wirtz“ bekannt, LINKEr, bekennender BILD-Leser und Klimawandelleugner-Supporter* hat den Klimawandel in die Ausschüsse verwiesen. Rote Köpfe, fassungslose Ratlosigkeit und entsetzte Kinder vor der Tür. Dabei haben die doch noch am meisten Zeit, was soll der Druck?

Leider war das die letzte Überraschung, wenngleich durchaus noch der ein oder andere erheiternde Auftritt der Stadtratskollegen die zähen Stunden versüßte.

Ein BESTOF:

Mündliche Anfragen

Jens Genschmar (Freie Wähler KV Dresden) nutzte seine mündliche Anfrage um zu klären, ob Verwaltungsmitarbeiter beim Klimastreik demonstrieren durften und Freizeit (z.B. Mittagspausen) nicht grundsätzlich nur zum Essen und Erholen da sei.
Umweltaktivst Holger Zastrow (FDP Dresden) fragte, wie Plastikmüll aus Dresden in das Meer gelangen könne (Elbe), was gegen diese müllverursachenden Jugendlichen unternommen wird und ob die Stadtreinigung ihren Müll illegal entsorgt.
Max Aschenbach (Die PARTEI) fragte die Versammlungsbehörde, welche 180 Versammlungen an den Gruselapparat Verfassungsschutz übermittelt wurden (vgl. Leipzig übermittelte 10) und wie das gerechtfertigt wird. Die Liste soll folgen, weitere Antworten wurden wortreich vom Ordnungsbürgermeister vermieden. „Wir sprechen uns noch.“ schloß der PARTEI-Stadtrat ab.**

Während der zweiten Fragerunde ging ich rauchen.

Bei der Wahl der „kundigen Bürger“ für den Sportausschuss gab es unausgesprochene Streitigkeiten über einen – wie sollte es anders sein ganz-rechts-rechts-außen Kandidaten. Einer Vertagung konnte die CDU, welche den Klimanotstands-Antrag gerade verzögerte, wegen Eilbedürftigkeit, nicht zustimmen. Ob der Sport-Faschist mit 22 von 70 Stimmen nun gewählt wurde oder nicht, konnte nicht abschließend geklärt werden. (Steht vielleicht in einer der 267 Mails in meinem Postfach.)

Erheiternd war die Debatte um die autofreie Louisenstraße. In der Pause konnte mein Fraktionskollege (i.G.) Dr. Martin Schulte-Wissermann (Neustadtpiraten) kurzfristig noch zwei nicht ganz unwichtige Punkte in den RGR-Antrag verhandeln. Gastredner und CDU-Verkehrs-Experte Gunther Thiele verteidigte verbissen Parkplätze für Anwohner, Kneipenbesucher (1-3‰) und Gewerbe. Vor ein Haus mit 8 bis 12 Mietparteien können im Schnitt 2 bis 4 Autos parken – nach 0 Uhr findet man überall Parkplätze. Die enorme Bedeutung der Hauptverkehrstrasse Louisenstraße wurde betont. Autofetischist Holger Zastrow erwies sich beim Beschimpfen der „Autophobiker“ ein weiteres mal als „Popans“. Er weiß: „So sind die Leute in der Neustadt in Wahrheit!“ und wies darauf hin, dass nicht alle in der Neustadt linksgrünversifft gewählt haben. Jeweils ein Sitz im Stadtbezirksrat konnten CDU, FDP und AfD ergattern. 3 von 19.

Als es um die Begrünung der Altstadt ging, konnte keiner der Anwesenden mir folgen, als ich da ganz viel Potential für Parkplätze entdeckte.

Der ermüdende Rest der Sitzung wurde damit verbracht, sich bei der Frage ob die Stadt ein Konzept für etwas entwickeln solle, über die noch nicht existenten Konzepte zu streiten, um dann nahezu einstimmig dafür zu stimmen, erstmal ein Konzept zu entwickeln. Zu dem, nach langer Debatte, einstimmig angenommenen Antrag „Touristische Infrastruktur des Lockwitztals als Ausflugsziel und Naherholungsgebiet verbessern – verkehrliche Potentiale untersuchen“ wird eine Stellungnahme des PARTEIeigenen Lockwitztal-Experten gesondert folgen.

Den menschlichen Tiefpunkt erreicht die Tortur, als Stefan Engel (SPD-Fraktion Dresden) verpasst eine Rede nicht zu halten und dafür von der schlechteren Hälfte des Stadtrates (CDU, FDP, AfD, FW) wüst, ausdauernd und unangenehm beschimpft wird, bis er sich sichtlich schlecht fühlt, nur damit die gleichen Leute danach mit ihren erbärmlichen Redebeiträgen selbst das Pult miss- und aller Zeit sinnlos verbrauchen.

Nach 5 1/2 Stunden Stadtratssitzung (+30 Minuten Pause) konnte ich mich endlich beim Stammtisch wieder geistig gesund saufen.

*https://www.facebook.com/tilo.wirtz
**Vollständiger Anfragetext:
„Aus einer Anfrage der Grünen im sächsischen Landtag geht hervor, dass die Dresdner Versammlungsbehörde die persönlichen Daten der Anzeigenden von über 180 Versammlungen an das Landesamt für Verfassungsschutz übermittelte. Sogar der sächsische Innenminister P̶r̶̶o̶̶f̶̶.̶D̶r̶̶.̶ Wöller fordert die Behörden auf diese, rechtlich mehr als fragwürdige, Praxis einzustellen und rät den Betroffenen Auskunft und Löschung zu verlangen. Der schlechte Ruf des Landesamtes für Verfassungsschutz hindert viele potentiell Betroffene daran, diese Auskunft überhaupt zu verlangen, da auch dies ein Weg ist, auf den ominösen Listen des Gruselapparates zu landen. Deswegen folgende, DSGVO-gerechte Frage: Die Daten welcher Versammlungen wurden an das Landesamt für Verfassungsschutz weitergeleitet?

(Da die Verlesung von 180 Versammlungen den zeitlichen Rahmen womöglich sprengen würde, gäbe ich mich auch mit einer zur Sitzung zur Verfügung gestellten schriftlichen Liste zufrieden.)

Bei wie vielen Versammlungen konnte der Verfassungsschutz Gefahrenpotential ausmachen?

Antwort: 33

Rechtfertigt der Anteil, der als Bedrohung eingestuften Versammlungsanzeiger, dieses Gebaren, welches fraglos eine enorme indirekte Einschränkung des Grundrechtes auf Versammlungsfreiheit darstellt?“

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